Langes-QT-Syndrom: Grundlagen

In Kürze: Der QTc-Verlängerung liegt eine abnorme Verlängerung der Aktionspotenzialdauer zugrunde, die durch krankheitsverursachende Mutationen in Genen bedingt sind, die für Ionenkanäle bzw. deren Funktion beeinflussende Proteine kodieren.

 

Bei einem Langen-QT-Syndrom handelt es sich um eine vererbte elektrische Erkrankung des Herzens, die in den 1950er Jahren als mit plötzlichen Todesfällen einhergehend Erkrankung mit Schwerhörigkeit als weiteres Charakteristikum betroffener (Jervell-und-Lange-Niesen-Syndrom) und in den 1960er Jahren als alleinige arrhythmogene QTc-Verlängerung ohne zusätzliche Hörstörung beschrieben wurde (Romano-Ward-Syndrom).

Zelluläre Arrhythmogenese

Der QTc-Verlängerung liegt eine abnorme Verlängerung der Aktionspotenzialdauer zugrunde. Es resultierte ein Instabilität des Membranpotenzials, die während oder zum Ende der Plateauphase hin auftretende Nachschwankungen des Aktionspotenzials begünstigt (so genannte frühen Nachdepolarisationen) begünstigt. Wenn diese Nachschwankungen die Schwelle für die Entstehung eines neuen Aktionspotenzials erreichen, kann repetitive elektrische Aktivität (getriggerte Aktivität) entstehen. Eine erhöhte Heterogenität der Repolarisation benachbarter Kardiomyozyten scheint das Auftreten von getriggerter Aktivität zu begünstigen. Sie dürfte auch die Grundlage für  die Degeneration der auftretenden Arrhythmien in Kammerflimmern bilden. 

Die in dieser Situation typische Rhythmusstörung sind Kammertachykardien vom Typ der Torsade de pointes. Solche Rhythmusstörungen tendieren dazu, nach wenigen Sekunden spontan zu enden (deshalb sind transiente Bewusstlosigkeiten typisch). Sie können in Einzelfällen aber auch in Kammerflimmern degenerieren, Folge ist ein plötzlicher Herztod, wenn keine Reanimation mit Defibrillation erfolgt. 

Auch Vorhofflimmern wird vermehrt beobachtet. Bei der Induktion der Arrhythmie scheinen die oben geschilderten Mechanismen eine Rolle zu spielen.

Molekulare Genetik

Der Verlängerung des QTc-Intervalls liegt eine Störung der Funktion von Ionenkanälen zugrunde. Die Gene, die diese verschlüsseln, weisen Mutationen auf. Daher wird das Lange-QT-Syndrom auch als eine Ionenkanalerkrankung bezeichnet. 

Mittlerweile wurden mehr als 17 Gene bekannt, von denen man meint, dass sie Krankheit verursachen können In 60-70 % der Fälle lässt sich ein krankheitsverursachendes Gen nachweisen. Tabelle # listet Gene auf, von denen angenommen wird, dass Mutationen zu einem langen-QT-Syndrom führen können. In 75 % der Fälle sind drei Gene, die sogenannten LQTS-Hauptgene betroffen. Hierbei handelt es sich um KCNQ1 (30-35 Prozente), KCNH2 (25-40 %) und SCN5A 5-10 %). Die Vererbung erfolgt meistens autosomal dominant. Basierend auf dem genetischen Befund wird heute nicht mehr von einem Romano-Ward-Syndrom bzw. Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom, sondern allgemein von einem langen-QT Syndrom und entsprechenden Unterformen, die sich nach dem genetischen Befund orientieren, gesprochen (LQT1, LQT2 usw.). Da sich bedeutsame Unterschiede auch in der klinischen Manifestation ergeben, sollte bei der Besprechung der Erkrankung, wenn der genetische Befund bekannt ist, explizit die Unterform im Vordergrund stehen.

Tabelle. Gene, von denen angenommen wird, dass sie ursächlich für ein Langes-QT-Syndrom verantwortlich sein können. Nach Wilde et al. 2022. 

Gen

Syndrom

Protein (funktioneller effect)

Häufigkeit

KCNQ1

LQTS, JLNS

IKs (↓)

40–55%

KCNH2

LQTS

IKr (↓)

30–45%

SCN5A

LQTS

NaV1.5 (↑)

5–10%

CALM1

LQTS

ICa,L (↑)

<1%

CALM2

LQTS

ICa,L (↑)

<1%

CALM3

LQTS

ICa,L (↑)

<1%

TRDN

Rezessives LQTS

ICa,L (↑)

<1%

KCNE1

LQTS, JLNS, a-LQTS

IK (↓)

<1%

KCNE2

a-LQTS

IK (↓)

<1%

KCNJ2

ATS

Ik1 (↓)

<1%

CACNA1C

TS, LQTS

ICa,L (↑)

<1%

K: Kaliumstrom; Na: Natriumstrom; Ca: Kalziumstrom; (↓) Funktionsverlust; (↑) Funktionszunahme auf zellulärer Ebene; a-LQTS: erworbenes (aquired) Langes-QT-Syndrom; ATS: Andersen-Tawil-Syndrom; JLNS: Jervell-und-Lange-Nielsen-Syndrom; RWS: Romano–Ward-Syndrom; TS: Timothy-Syndrom.

 

Tabelle. Gene, bei denen der ursächliche Zusammenhang zu einem Langen-QT-Syndrom nicht eindeutig bzw. umstritten ist. Nach Wilde et al. 2022. 

Gen

Syndrom

Protein (funktioneller Effekt)

Häufigkeit

 

LQTS

NaV1.5 (↑)

<1%

 

LQTS

NaV1.5 (↑)

<1%

 

LQTS

NaV1.5 (↑)

<1%

 

LQTS

IK (↓)

<1%

 

LQTS

NaV1.5 (↑)

<1%

 

LQTS

Kir3.4 (↓)

<1%

K: Kaliumstrom; Na: Natriumstrom; Ca: Kalziumstrom; (↓) Funktionsverlust; (↑) Funktionszunahme auf zellulärer Ebene; a-LQTS: erworbenes (aquired) Langes-QT-Syndrom; ATS: Andersen-Tawil-Syndrom; JLNS: Jervell-und-Lange-Nielsen-Syndrom; RWS: Romano–Ward-Syndrom; TS: Timothy-Syndrom.

Literatur

Marschall C, Moscu-Gregor A, Rost I. Herausforderung der Varianteninterpretation am Beispiel des Long-QT-Syndroms (LQTS). medgen 2019;31, 222–229.  Link  

Schulze-Bahr E, Dettmeyer RB, Klingel, K. et al. Postmortale molekulargenetische Untersuchungen (molekulare Autopsie) bei kardiovaskulären und bei ungeklärten Todesfällen. Kardiologe 2021;15:176–193. Link  

Schulze-Bahr E, Klaaasen S, Abdul-Khaliq H, et al. Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen. Kardiologe 2015;9:213-243.  Link  

Links

Text.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Please reload

Bitte warten...